Wort zum Sonntag:

Geheimnisvolle Türen

Waren Sie schon einmal in einem Escape Room? Eingeschlossen hinter einer Tür zusammen mit anderen? Menschen feiern Geburtstage oder Weihnachtsfeiern in Escape Rooms und lassen sich gemeinsam auf dieses Abenteuer ein: es gilt als Gruppe gestellte Rätsel oder Aufgaben zu lösen. Das Ziel: den Code für die Tür zu knacken, das Geheimnis gemeinsam zu entschlüsseln. Ein detektivisches Spiel, das viele erfreut. Um am Ende dem Escape Room aus der geöffneten Tür wieder zu entkommen.

Auch die vor uns liegende Adventszeit ist eine Zeit der Türen. Der großen und der kleinen Türen, der offenen und der geschlossenen, der gesungenen und gesprochenen.

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, singen wir in den Kirchen.

24 Türchen im Adventskalender wollen der Reihe nach geöffnet werden. Türchen für Türchen. Und hinter den Türchen? Verbirgt sich ein Geheimnis, eine Überraschung: Süßes, etwas zum Basteln oder etwas Genussvolles. Eine Fülle unterschiedlichster Adventskalender lädt zum Türen öffnen ein. Adventskalender sind ja inzwischen nicht nur für Kinder, sondern auch Erwachsene und sogar Haustiere werden mit einem unerschöpflichen Angebot bedient.

Anders als im Escape Room ist das Öffnen der Türchen beim Adventskalender ein Kinderspiel. Zum Öffnen brauchen wir keine Codes. Wir müssen keine Rätsel lösen.
Das passt zu dem Fest auf das wir uns im Advent vorbereiten. Am 24. Dezember dürfen wir einfach dazukommen, ohne Anstrengung.

Da gibt es keine Tür – der Stall wird offen sein. Vielleicht ein wenig dunkel, zugig und kalt – so wie wir unsere Welt gerade erleben. Aber im Stall wird das Licht hell leuchten. Das Geheimnis ist für alle offenbar: Ich bin bei Gott willkommen. So wie ich bin. Als Mensch. Und so will mir Gott begegnen.

Pfarrer Hartmut Lauterbach, St.-Mang-Kirche

„Wort zum Sonntag" in der Allgäuer Zeitung zum 1. Adventswochenende (30. November / 1. Dezember 2024)

 

 

Zeit für Suppe

Maronen-, Kartoffel-, Tomatensuppe - November ist Suppenzeit. Sie wärmen, sie haben etwas heimeliges, besonders die orangene Kürbissuppe leuchtet dem Novembergrau entgegen. Nicht alle teilen meine Euphorie, das weiß ich. „Eine Suppe reicht maximal zur Vorspeise, aber dann brauche ich schon noch was G’scheits“, so sagte mir neulich jemand, den ich mit meiner Suppen-Begeisterung noch nicht anstecken konnte.

In letzter Zeit ist mir aber ehrlich gesagt auch ein bisschen der Appetit vergangen. Während die Natur einen Gang zurückschaltet, überschlagen sich die Nachrichten aus Übersee und unserem eigenen Land. Am Volkstrauertag wird an die Opfer von Gewalt und Krieg erinnert, während an vielen Orten weitergeschossen wird.

Im Predigttext für diesen Sonntag mischt sich Paulus in einen Streit in der römischen Gemeinde ein. Es geht darum, was Christen essen dürfen und was nicht. Auch wenn Paulus keine Meinung zum Thema Herbstsuppen hat, so äußert er einen ganz allgemeinen Rat für alle, die sich gerne streiten und nur auf ihr eigenes Wohl bedacht sind: „Keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“ (Röm 14,7f) In meinen Worten: Niemand sollte sich anderen überlegen fühlen, denn wir gehören alle zu Gott. Sein Reich wird man am Frieden erkennen (Röm14,17) fügt Paulus noch an und ich kann nur unterstreichen, wie dringend wir diese Worte mit Leben füllen müssen.

Wie das aussehen kann? Das zeigt ein Blick in die Geschichte unseres Nachbarlandes Schweiz. Im Laufe des 16. Jahrhunderts ereignete sich bei Kappel am Albis ein Krieg, auf den keiner so recht Lust hatte. Heinrich Bullinger, ein Zürcher Reformator, berichtet später: Die Soldaten standen sich im Jahre des Herrn 1529 gegenüber, aber keiner wollte angreifen. Anstatt sich zu bekriegen, setzten sie sich an einen Tisch und aßen gemeinsam Suppe. Eine wirklich gute Idee, auch für den November 2024.

Pfarrer Tim Sonnemeyer, Christuskirche Kempten

 

Wort zum Sonntag in der Allgäuer Zeitung 16./17. November 2024