Zeit für Suppe
Maronen-, Kartoffel-, Tomatensuppe - November ist Suppenzeit. Sie wärmen, sie haben etwas heimeliges, besonders die orangene Kürbissuppe leuchtet dem Novembergrau entgegen. Nicht alle teilen meine Euphorie, das weiß ich. „Eine Suppe reicht maximal zur Vorspeise, aber dann brauche ich schon noch was G’scheits“, so sagte mir neulich jemand, den ich mit meiner Suppen-Begeisterung noch nicht anstecken konnte.
In letzter Zeit ist mir aber ehrlich gesagt auch ein bisschen der Appetit vergangen. Während die Natur einen Gang zurückschaltet, überschlagen sich die Nachrichten aus Übersee und unserem eigenen Land. Am Volkstrauertag wird an die Opfer von Gewalt und Krieg erinnert, während an vielen Orten weitergeschossen wird.
Im Predigttext für diesen Sonntag mischt sich Paulus in einen Streit in der römischen Gemeinde ein. Es geht darum, was Christen essen dürfen und was nicht. Auch wenn Paulus keine Meinung zum Thema Herbstsuppen hat, so äußert er einen ganz allgemeinen Rat für alle, die sich gerne streiten und nur auf ihr eigenes Wohl bedacht sind: „Keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“ (Röm 14,7f) In meinen Worten: Niemand sollte sich anderen überlegen fühlen, denn wir gehören alle zu Gott. Sein Reich wird man am Frieden erkennen (Röm14,17) fügt Paulus noch an und ich kann nur unterstreichen, wie dringend wir diese Worte mit Leben füllen müssen.
Wie das aussehen kann? Das zeigt ein Blick in die Geschichte unseres Nachbarlandes Schweiz. Im Laufe des 16. Jahrhunderts ereignete sich bei Kappel am Albis ein Krieg, auf den keiner so recht Lust hatte. Heinrich Bullinger, ein Zürcher Reformator, berichtet später: Die Soldaten standen sich im Jahre des Herrn 1529 gegenüber, aber keiner wollte angreifen. Anstatt sich zu bekriegen, setzten sie sich an einen Tisch und aßen gemeinsam Suppe. Eine wirklich gute Idee, auch für den November 2024.
Pfarrer Tim Sonnemeyer, Christuskirche Kempten
Wort zum Sonntag in der Allgäuer Zeitung 16./17. November 2024